Inneres und Äusseres Coming Out
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Inneres und Äusseres Coming Out

Während meines Coming Out Prozesses war mir nie bewusst, dass “Coming Out” und “Coming Out” nicht immer dasselbe sein muss. Im Laufe des Prozesses gibt es einmal das innere und das äußere Coming Out. Beides ist sehr wichtig, um sich selbst als der Mensch zu akzeptieren, der*die man ist. Beide haben allerdings unterschiedliche Motivationen und Fallstricke.

Das große “Coming Out” ist in der queeren Community ein noch größeres Thema, als in der allgemeinen Gesellschaft. Manche haben ein lautes, andere ein leises Coming Out. Es gibt einfache und schmerzliche Coming Outs. All dies ist valide. Nahezu jede Person der LGBTIAQ+ Community haben in irgendeiner Art und Weise ein Coming Out durchlebt. Generell ist es ein lebenslanger Prozess; einmal angefangen, wird man sich immer und immer wieder im Leben mit dem Coming Out auseinandersetzen müssen. Dabei unterscheidet man einmal das innere und das äußere Coming Out[1].

Das innere Coming Out

Der schwerste Prozess beim Entdecken der eigenen Identität und Sexualität ist das sogenannte innere Coming Out. Das ist der Prozess, den man selbst durchlebt. Man führt einen innerlichen Krieg und versucht rauszufinden wer man ist. Manchmal geht dieser schnell vorbei, manchmal dauert er Jahre an und manchmal kehrt er immer wieder zurück. Ich für meinen Teil hatte diesen “Krieg” mehrmals im Leben. Losgetreten, als ich 8 Jahre alt war und in der Schule als lesbisch beschimpft wurde. Damals wusste ich nicht, was das Wort bedeutete.

Über die Jahre lag es an genau dieser Erfahrung, dass ich immer wieder Streitgespräche mit mir selbst führte. Ich führte regelrecht Krieg mit mir. Am schlimmsten wurde es, wenn ich Gefühle für Mädchen oder Frauen hatte. Schließlich wollte ich doch nur “normal” sein. Genau das ist aber das Problem. Durch die heteronormative[2] Welt sind wir “gezwungen” Cis-Mann-Frau-Beziehungen als “normal” (ugh, dieses Wort ist schrecklich) zu betrachten. Entdeckt man, dass man sich nicht dazu zählt, beginnt der eigentliche Konflikt mit dir selbst.

Ich habe mich so oft gefragt, warum ich “kaputt” bin. Warum ich keine Gefühle dem anderen Geschlecht gegenüber entwickeln kann. Immer wieder kamen diese vielen Gedanken, die mich psychisch über Jahre hinweg immer wieder (negativ) beeinflussten. Allerdings ist es gleichzeitig das schönste Gefühl, wenn man akzeptiert, wer man ist. Dass man nicht kaputt ist. Dass man anders ist, als die Norm und das dies auch super okay ist. Die Erkenntnis, dass es anderen genauso ging, wie mir, war dann die finale Befreiung all meiner Zweifel. Das innere Coming Out ist der Prozess, zu sich selbst zu finden. Sich selbst zu akzeptieren und zu lieben. Wenn man das überwunden hat, sieht man das Leben in einem komplett anderem Licht. Und der nächste Prozess beginnt: Das äußere Coming Out.

Das äußere Coming Out

Hat man den Punkt der inneren/eigenen Akzeptanz erreicht, muss man weitergehen. Ab diesem Punkt beginnt die nie wieder endende Phase des Coming Out. Das äußere Coming Out ist der Prozess, wenn du mit anderen über deine Identität und Sexualität sprichst. Fun Fact: Jeder Mensch hat ein Coming Out. Ja, auch Cis-Hetero Menschen. Denn ein “leises” Coming Out ist beispielsweise auch, das Interesse zeigen an einem Menschen. Heteros äußern das, in dem sie (unbefangen und ohne drüber nachzudenken) darüber sprechen, wenn sie das andere Geschlecht toll finden.

Bei Nicht-Hetero Menschen ist das deutlich anders, weil wir eben nicht zu dieser Heteronormativität gehören. Unser Coming Out ist das Aufzeigen, dass wir nicht zu dieser Heteronorm gehören. Daher nehmen das – sich als hetero identifizierende Menschen – immer wieder als etwas “Unnötiges” wahr. Dieses äußere Coming Out zeigt sich unter anderem durch Händchen Halten, durch Aussagen wie “Ich bin [hier Sexualität einfügen]”, oder durch das Tragen von Regenbogen-Artikeln oder LGBT-Merch. All das gehört zu einem äußeren Coming Out und all das ist valide.

Das ewig währende Coming Out

Für mich persönlich ist das äußere Coming Out am Anfang okay verlaufen. Meine Freundinnen und Familie “ahnten” es sowieso schon und ich zähle mich zu den Glücklichen, die eher Freundschaften gewonnen hat, als verloren. Das erste Mal darüber gesprochen, hatte ich 2010, als ich mich in meine heutige beste Freundin verliebt hatte. Damals sprach ich mit zwei Menschen drüber: ihr und meiner Schwester.

Danach begann eine Phase der eigenen Verleumdung. Das innere Coming Out musste neu gestartet werden. Seit 2019 bin ich nahezu jeden Tag dabei, das äußere Coming Out zu durchleben. Das äußert sich vor allem dadurch, dass ich bei Aussagen wie “ihr Frauen liebt Männer doch nur wegen XY” reingrätsche und sage: “Nein. Nicht alle Frauen”. Diese Pauschalisierung/Verallgemeinerung nervt mich mittlerweile enorm, vor allem, je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige. Dabei können die Cis-Heteros im Grunde (das ist keine Entschuldigung!) nichts dafür, denn sie haben in der heteronormativen Welt Vorteile und Privilegien. Ähnlich wie weiße Cis-Hetero Männer, das ist jedoch ein anderes Thema.

Allerdings sehe ich auch in der Pflicht von Cis-Heteros, sich zu bilden; weiterzubilden. Ihr Verhalten hat auf so viele Menschen Einfluss, die diesen Coming Out Prozess durchleben. Je besser die Cis-Heteros aufgeklärt sind, desto offener verhalten sie sich anderen gegenüber und desto sensibler ist (meiner Erfahrung nach) der Umgang mit Nicht-Heteros (Ausnahmen bestätigen die Regel). Auch ich lernen jeden Tag neue Sichtweisen kennen und hinterfrage alte von z.B. gestern.

Mein “Lieblingsspruch” von Cis-Heteros: “Ich lauf doch als Hetero auch nicht rum, um mich als Hetero zu outen.” Doch. Tust du. Jeden Tag. Leise. Und warum das niemanden kümmert? Lies noch einmal ein paar Sätze vorher. Stichwort: Heteronormativität (ich musste echt üben, dieses Wort zu schreiben und zu sprechen). Das Leben ist für jeden Menschen, egal welcher Identität und Sexualität, eine ewig währende Coming Out Reise. Manche werden eben nur anders wahrgenommen.


Quellen

[1] Coming Out – Queer Lexikon | queer-lexikon.nethttps://queer-lexikon.net/2017/06/15/coming-out/ • Abrufdatum: 12.10.2020, 12:42 Uhr
[2] Heteronormativität | www.diversity-arts-culture.berlinhttps://diversity-arts-culture.berlin/woerterbuch/heteronormativitaet • Abrufdatum: 12.10.2020, 12:42 Uhr

Veröffentlicht von Heffa Fuzzel

Als ich 2010 mit dem Bloggen begann, war es noch für die Familie, die mein Leben in der neuen Stadt miterleben sollte. Das Studium endete 2016 und ich bin immer noch Bloggerin. 2012 bin ich unter die Buchblogs gegangen. Mittlerweile gibt es auf meinem Blog nicht nur Bücher, sondern auf Filme, Serien und andere Dinge, die mich im Leben bewegen. Seit einigen Jahren bin ich verstärkt in der Sapphic Bubble unterwegs und konsumiere hier die verschiedenen Geschichten.

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